Ich kann mich noch gut als Copilot an einen meiner ersten Ausbilder erinnern. Winfried, ein Kapitän wie er im Buche stand. Groß, blond, von schlanker Statur. Er war einer der prägenden Ausbilder, die mir sehr positiv im Gedächtnis blieben.
Bei einem meiner Fehler die ich auf einem Flug nach Palma de Mallorca machte, hielt er mir eine Standpauke, die ich nicht vergessen habe. „Du“, sagte er: „Du bist verantwortlich für das Flugzeug wenn Du da drin sitzt. Du lenkst das Flugzeug, nicht das Flugzeug Dich. Und wenn Du Dich über etwas ärgerst, dann gehst Du nach der Landung raus und trittst einmal kräftig gegen die Reifen, aber denke immer dran, im Cockpit bist Du der Herr über die Systeme. Kein anderer, sondern Du alleine hast die Verantwortung.“
Durch die Arbeit von James Reason, dem Forscher über menschliche Fehler, ist die Bezeichnung der „Organisatorischen Sicherheit“ entstanden.
Der Name, im Englischen besser als „organisational safety“ bekannt, verweist auf eine zentrale Erkenntnis für die Menschen, die an vorderster Front in Hochrisikoberufen tätig sind, dass für sie die Verbesserung der Sicherheitsleistung an erster Stelle stehen. So wie ich im Cockpit der Herr über das System und die mir anvertrauten Menschen bin, gibt es viele Menschen in anderen Berufen, die für Ihren Arbeitsbereich und Menschenleben verantwortlich sind.
Arbeit in einer Hochrisikoumgebung heißt, immer alles kontinuierlich einem Verbesserungsprozess zu unterziehen. Das bedeutet für den einzelnen Mitarbeiter immer drei Dinge:
- Können
Der Mitarbeiter muss es fachlich und mental können. Viele Dinge müssen koordiniert und teilweise schnell hintereinander erledigt werden, ohne viel Konzentrationsverluste. Der Mitarbeiter braucht eine gute Ausbildung und vor allem Trainer, deren Ausbildungsmethoden bei dem Trainee hängen bleiben und an die er sich noch Jahre später erinnert.
- Wollen
Menschen in Hochrisikoumgebungen müssen es wollen, sicher zu arbeiten. Es muss bei Ihnen eine gewisse Eigenmotivation vorherrschen. Hier greift eine grundlegende Aussagekraft in der Personalwirtschaft:
„Das Wer ist wichtiger als das Was.“
- Dürfen
Ganz besonders wichtig ist aber die übergeordnete Organisation, die ihm das Dürfen erlauben muss. Es geht bei der Verbesserung von Sicherheitsleistung nicht nur um den einen Menschen der unglücklicherweise einen Fehler macht sondern um Verhalten, um Sicherheitskultur, um Systeme, Design und das eigene Bewusstsein wie ich mit diesen Dingen in meinem Umfeld umgehe.
Das zentrale Thema dabei ist aber die Frage, wie kann eine Organisation das Ziel erreichen, nicht nur den Arbeitsplatz sondern auch die soziale Umgebung für Mitarbeiter so zu gestalten, dass Fehler frühzeitig entdeckt werden und sich nicht zu einer Katastrophe entwickeln?
In einem Arbeitsumfeld in dem Fehler frühzeitig entdeckt werden müssen ist es wichtig, dass eine Arbeitsatmosphäre mit einer offenen Kommunikation herrscht in der es möglich ist Fehler zuzugeben, ohne dafür bestraft oder sanktioniert zu werden.
Welche Werte hat Ihre Firma hierzu definiert? Werden die Werte auch von den verschiedenen Verantwortungsebenen geteilt?
Gibt es Systeme in Ihrem Unternehmen, und das muss nicht zwingend ein Hochrisikobereich sein, die zuverlässig sind? Kann Ihre Organisation sagen, dass sicheres Verhalten auf allen Ebenen, insbesondere der Führungsebene, zuverlässig ist?
Es gibt Unternehmen die sehr viel dafür tun, Fehler zu vermeiden und sind dann doch überrascht, wenn es zu folgenreichen Zwischenfällen kommt. Oft ist in diesen Organisationen das Vertrauen gegenüber der Führung zu gering, es fehlt an effektiver Kommunikation und die Mitarbeiter gewinnen den Eindruck, dass es sich bei den hehren Worten der Führung bezgl. Sicherheit nur um Lippenbekenntnisse handelt.
Im Gegensatz dazu gibt es Unternehmen, die schwere und tödliche Ereignisse sorgfältig verfolgen. Ebenso wie kleinere Zwischenfälle, die das Potenzial haben schwerwiegende Folgen auszulösen. Diese Unternehmen verfügen über Systeme, um sichere Arbeitsbedingungen und Kommunikation zu gewährleisten und sind sich bewusst darüber wie wichtig es ist, dass die Mitarbeiter auf allen Ebenen sich aktiv beteiligen um Vorfälle zu verhindern.
Der Unterschied zeigt, was mit organisatorischer Sicherheitseffektivität gemeint ist.
Ist ein Unternehmen in der Lage seine Führungsfähigkeiten zu verbessern kann es drastisch seine Fehlerrate reduzieren.
Wie das der einzelne Mitarbeiter erreichen kann? Die Organisation eines Unternehmens sind nicht nur die Führungskräfte, sondern jeder einzelne Mitarbeiter. Jeder ist verantwortlich, dass in einem Unternehmen sich so gut wie keine Fehler zu einem Desaster entwickeln können. In Ihrem Cockpit sind SIE alleine der Herr über ihren Arbeitsplatz.
